Die Herkunft meines Wikinger Namens: Asgrim

Asgrim's und der Nialsöhne Rundgang auf dem Ting.

[153] Einst führten Asgrim und Nial lange eine leise Unterredung. Darauf sprang Asgrim auf und sprach zu den Nialsöhnen: »Jetzt müssen wir herumgehen und uns Freunde werben, damit wir nicht der Uebermacht erliegen, denn unsre Feinde werden diese Sache mit großem Nachdruck betreiben.« Er ging nun hinaus und ihm folgten die übrigen, zuerst Helge Nialsohn, dann Kaare Sölmundsohn, Grim Nialsohn und nach ihm als der fünfte in der Reihe Skarphedin; nach ihm kam Thorhald Asgrimsohn, darauf Thorgrim der Große und endlich Thorleif Kraak. Sie gingen zuerst nach Gissur Hvide's Hütte und traten ein. Gissur erhob sich, empfing sie und bat, sich niederzulassen und einen Trunk zu thun. »Wir haben ein andres Anliegen als das,« versetzte Asgrim; »wir möchten wissen, welche Hülfe wir von Dir erwarten dürfen, Oheim.« Asgrim's Mutter Jörund war nämlich Gissur's Schwester. Gissur antwortete: »Meine Schwester Jörund wird [154] der Ansicht sein, ich dürfe Dir keine Hülfe verweigern; und so soll es denn auch sein jetzt und fürder, daß wir zwei mit einander dasselbe Loos theilen.« Asgrim dankte ihm und ging fort. »Wohin sollen wir uns jetzt wenden?« fragte Skarphedin, als sie draußen waren. »Zu Skapte Thorodsohn,« erwiderte Asgrim. Skapte saß auf der Bank, als sie kamen, bot Asgrim willkommen und hieß ihn sich niederlassen. Asgrim aber brachte sein Anliegen vor. »Ich hätte nicht geglaubt, daß Euer Unheil sich in meine vier Pfähle verirren sollte,« entgegnete Skapte. Asgrim versetzte: »Das ist eine arge Ausrede, Männern am wenigsten Hülfe gewähren zu wollen, wenn sie am meisten derselben bedürfen.« Skapte hatte unterdessen seine Augen fortwährend auf Skarphedin gerichtet, wie er dastand im blauen Gewand, blaugestreiften Beinkleidern, schwarze Schuhe mit hohen Absätzen an den Füßen und einen silbernen Gürtel um die Hüften gegürtet; in der Hand hielt er seine Axt Rimegyge, an dem Arm hatte er einen leichten Schild, um den Kopf trug er eine seidene Binde und hatte das Haar hinter die Ohren zurückgestrichen; er sah sehr kampffertig aus, so daß er allen auffallen mußte. »Was ist das für ein Mann,« fragte Skapte, »der fünfte in Eurer Reihe, der große, bleiche, finstere Mann, der einem Jötun gleicht und das Unglück zum Begleiter zu haben scheint?« Skarphedin antwortete: »Skarphedin heiße ich, und Du hast mich oft auf dem Ting gesehen. Aber ich bin soviel klüger als Du, daß ich nicht nach Deinem Namen zu fragen brauche. Du heißest Skapte Thorodsohn. Früher aber nanntest Du Dich Börstekuld, damals als Du Ketil von Elda getödtet hattest. Da strichst Du Dich selbst schwarz an und salbtest Dein Haupt mit Theer ein, ferner verbargst Du Dich in einem Erdloch und als Du das Land räumen wolltest, ließest Du Dich in einem Mehlsack an Bord tragen.« Darauf entfernten sich Asgrim und Skarphedin mit den anderen. »Wohin gehen wir nun?« fragte Skarphedin. »Zum Goden [155] Snorre,« versetzte Asgrim. Snorre war ein großer Häuptling am Hvamsfjord und mit Asgrim befreundet; er war der klügste Mann auf Island unter denen, die nicht in die Zukunft schauten; er war liebreich gegen seine Freunde, aber schonungslos gegen seine Feinde. Snorre empfing Asgrim und sein Gefolge freundlich, wollte ihnen aber keine Hülfe versprechen, nur sagte er, er wolle ihnen nicht entgegen sein. »Aber wer ist dieser Mann, der fünfte in Eurer Reihe, der bleiche Mann dort mit den scharfen Zügen, welcher spöttisch lächelt und seine Axt so hoch trägt?« fragte Snorre. »Ich heiße Hedin,« war die Antwort, »manche aber nennen mich Skarphedin mit vollem Namen. Was hast Du mir mehr zu sagen?« »Du siehst muthig aus,« versetzte jener, »und gewaltig, aber ich glaube, die längste Zeit Deines Glückes ist dahin und Deine Tage sind gezählt.« »Das ist eine Schuld, die wir alle zu bezahlen haben,« erwiderte Skarphedin, »Du aber solltest lieber Deinen Vater rächen als mir Böses weissagen.« »Dasselbe haben viele vor Dir gesagt,« antwortete Snorre, »darum will ich Dir nicht zürnen.« Bei ihm fanden sie also auch keinen Beistand und gingen fort. Sie wandten sich an Haf den Reichen. Als Asgrim ihn um Hülfe bat, antwortete er, er wolle keinen Theil an ihrem Unglück haben. »Wer aber ist der fünfte in Eurer Reihe, der bleiche Mann, der so grimmig dreinschaut, als wäre er ein Jötun von den Klippen des Meers?« fragte er. Skarphedin sprach: »Was kümmert es Dich, Du Milchfratze, wer ich bin? Ich wage frei einherzugehen, wo Du im Hinterhalt liegst und auf mich lauerst. Suche lieber Deine Schwester, die aus Deinem Hause entführt wurde, ohne daß Du einen Finger zu rühren wagtest.« »Laßt uns gehen,« fiel Asgrim ihm ins Wort, »hier dürfen wir keine Hülfe erwarten.« Sie gingen zur Hütte Gudmund's des Mächtigen. Gudmund wohnte auf Madrevalle am Öfjord im Nordlande, war ein reicher und großer Häuptling und hatte ein Gesinde von hundert Personen in seinem Hause. Er hatte allen Häuptlingen in dem Nordlande ihre Macht genommen, so daß manche um seinetwillen ihre Wohnung oder ihre Godenstelle aufgeben und manche gar das Leben lassen [156] mußten. Er war Asgrim Ellidagrimsohn's Freund, und kam ihnen darum auch bereitwillig entgegen. »Ich will dir nicht entgegen sein,« antwortete er, als Asgrim seine Bitte vorbrachte, »finde ich es aber für gut, Dir zu helfen, dann können wir immer darüber reden.« Asgrim dankte ihm. »Es ist ein Mann unter Deiner Schaar,« sagte Gudmund, »den ich eine Weile angeblickt habe und der mir schrecklicher vorkommt, als die meisten Männer, die ich je gesehen habe.« »Wen meinst Du?« fragte Asgrim. »Ich meine den fünften Mann in Eurer Reihe,« versetzte Gudmund, »mit dem braunen Haar und dem bleichen Angesicht; hoch gewachsen ist er und muthig sieht er aus und so bereit zu kühner That, daß ich ihn lieber hätte in meiner Schaar als zehn andre; und doch sieht er aus wie einer, der das Unglück mit sich bringt.« Skarphedin antwortete: »Ich bin es, den Du meinst; jeder von uns hat sein Unglück. Mich schmäht man, weil ich Höskuld den Goden von Hvidenes erschlug, über Dich aber dichtete Thorkel Haak ein Spottlied, und das ist Dein Kummer.« Damit verließen sie das Haus. »Wohin gehen wir jetzt?« fragte Skarphedin. »Zur Hütte des Ljosavetninger,« war Asgrim's Antwort. Diese Hütte gehörte Thorkel Haak aus Ljosavatn im Nordlande östlich vom Öfjord. Er hatte Fahrten ins Ausland, nach Norwegen, nach dem Süden und den Ostseeküsten gemacht und viele Kämpfe gegen Räuber sowie auch Drachen und andre Ungeheuer bestanden und nach seiner Heimkehr hatte er alle diese Heldenthaten auf der Bretterwand über seinem Wandbett und auf dem Stuhl vor seinem Hochsitz ausschnitzen lassen. Auf dem Gauting der Ljosavetninger waren er und sein Bruder einst mit Gudmund dem Mächtigen im Kampf gewesen und nach dem Siege hatte er ein Spottlied über Gudmund gedichtet. Er pflegte zu sagen, es sei kein Mann auf Island, mit welchem er einen Einzelkampf aufnehmen, aber auch keiner, dem er jemals den Rücken zuwenden werde. Mit wem er aber zu thun hatte, den schonte er weder in Wort noch That, wovon er denn auch den Zunamen »Haak« erhielt, der seinen Uebermuth in Wort und That anzeigte. Ihn wollte Asgrim nun um Hülfe ansprechen.[157] »Diese Hütte gehört einem gewaltigen Streiter,« sagte er, als sie unterwegs waren, »und wenn wir ihn für uns gewinnen könnten, würde es uns großen Vortheil bringen. Er ist aber eigensinnig und sonderbar, weshalb wir in jeder Weise vorsichtig sein müssen. Darum will ich Dich auch bitten, Skarphedin, daß Du Dich nicht in unsre Unterredung hineinmischest.« Skarphedin lächelte. So traten sie denn in die Hütte ein. Thorkel saß auf der Mitte der Bank und seine Mannen zu beiden Seiten. Asgrim begrüßte ihn und Thorkel erwiderte den Gruß freundlich. »Wir sind hierhergekommen,« nahm Asgrim das Wort, »um Dich zu bitten, mit uns zum Gericht zu gehen und uns beizustehen.« Thorkel versetzte: »Ihr seid ja schon bei Gudmund gewesen, und er hat Euch doch wohl Hülfe versprochen, was bedürft Ihr dann meiner?« »Gudmund wollte uns keine Hülfe leisten,« antwortete Asgrim. »Dann hat Gudmund Eure Sache für eine unsaubere angesehen,« sagte Thorkel, »und das ist sie auch, denn es ist die ärgste That, die je geübt wurde. Es ist mir daher auch unverständlich, wie es Euch einfallen kann, zu mir zu kommen. Wie konntet Ihr glauben, Ihr würdet mich leichter dazu bewegen, eine schlechte Sache zu unterstützen, als Gudmund?« Asgrim sagte kein Wort; es schienen ihm hier keine guten Aussichten für sein Anliegen zu sein. Thorkel aber fuhr fort: »Wer ist dieser Mann, der fünfte in Eurer Reihe, der große, häßliche Mann mit den bleichen, scharfen Zügen, der so unselig und schrecklich dareinschaut?« Da nahm Skarphedin das Wort: »Ich heiße Skarphedin, Du aber solltest Dich hüten, mich zu verhöhnen. Ich habe niemals meinen eignen Vater bedroht oder mit ihm gezankt, wie Du es dem Deinigen gegenüber thatest. Nur selten bist Du auf dem Ting gewesen und hast nur wenig theil genommen an Tingsachen, darum magst Du auch nur lieber daheim bleiben und Deine Kühe hüten. Wenigstens hättest Du, ehe Du hierher kamst, Deine Zähne reinigen sollen von dem Pferdefleisch, welches Du nach heidnischem Brauch aßest, bevor Du zum Ting rittest, so daß sogar Deine Sklaven daran Aergerniß nahmen.« Thorkel sprang auf, zog sein Schwert und rief: »Dieses hat schon vieler Helden [158] Blut gekostet und es soll das Deinige kosten, sobald wir wieder zusammentreffen; solchen Lohn sollst Du empfangen für Dein loses Maul.« Skarphedin lachte, hob Rimegyge hoch und erwiderte: »Mit dieser Axt in der Hand sprang ich zwölf Ellen weit über den Markarfluß und erschlug Thraen Sigfussohn; acht Männer standen mir gegenüber, aber keiner vermochte mich zu treffen, jedesmal aber, wo ich sie schwang, hat sie ihren Mann niedergestreckt.« Darauf schob er seine Brüder und seinen Schwager Kaare zur Seite, sprang auf Thorkel zu und rief: »Jetzt thust Du eins von beiden, Thorkel Haak, stecke Dein Schwert ein und setze Dich nieder, oder ich schlage Dir mit der Axt den Kopf ein und spalte Dich bis zu den Hacken.« Thorkel steckte sein Schwert in die Scheide und setzte sich nieder; solches geschah ihm weder zuvor noch hernach. Asgrim entfernte sich mit seiner Umgebung. »Wohin gehen wir jetzt?« fragte Skarphedin. »Zurück nach unsrer Hütte,« antwortete Asgrim. »So sind wir denn wohl der Bettelei müde,« versetzte Skarphedin. Asgrim sagte: »An manchen Orten warst Du ziemlich scharfzüngig, aber Thorkel gabst Du seinen verdienten Lohn.« Darauf gingen sie heim und erzählten Nial den Verlauf ihrer Angelegenheit. Nial meinte: »Jetzt muß es kommen, wie es das Schicksal will.« Als aber Gudmund der Mächtige hörte, wie Skarphedin und Thorkel zusammengerathen seien, freute er sich über die Schande und die Schmach, die dem letzteren zugefügt worden war und sagte zu seinem Bruder Ejnar von Querau: »Du mußt mit meiner ganzen Schaar ausziehen und den Nialsöhnen beistehen, wenn das Gericht eingesetzt wird, und bedürfen sie der Hülfe im nächsten Sommer, dann werde ich selbst erscheinen.« Ejnar willigte ein und ließ es Asgrim wissen. »Gudmund übertrifft die meisten Männer an edler Sinnesart,« versetzte dieser und theilte es darauf Nial mit.

 

Quelle:

Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 153-158.